Vor der Küste von Kreta liegt die kleine Insel Chrysi, was auf Griechisch so viel wie „die Goldene“ heißt. Nur etwa 5 Kilometer lang und ungefähr 1 Kilometer breit - heute unbewohnt.
Aber das war einmal anders. Einige Siedlungsreste sind rund 4.000 Jahre alt und stammen von der frühesten Hochkultur Europas: den Minoern. Und sie bergen ein Geheimnis.
Die Leute hier, die waren erstaunlich wohlhabend. Jedenfalls hat man eine ganze Menge Gold und Edelsteine gefunden.
Da stellt sich natürlich die Frage: Wo kam dieser Reichtum eigentlich her?
019 haben die Forschenden dann eine alte Abfallgrube hier gefunden. Und da könnte die Antwort wirklich drin sein. Hier: die ganze Schicht: voller Schnecken-Schalen.
Unglaublich viele Schneckenschalen. In den alten Siedlungen hier in der Gegend hat man Millionen davon gefunden.
Also viel mehr, als die Leute damals hätten essen können. Und deshalb liegt der Schluss nahe, dass sich in diesen Schalen noch eine ganz andere Geschichte verbirgt.
Auch heute findet man die Meeresschnecken noch im seichten Uferbereich der Insel. Andernorts gelten sie als Delikatesse.
Die Fischer hier verschmähen sie aber, weil sie ihrer Ansicht nach stinken und deshalb gerade mal als Köder beim Angeln taugen.
Noch eine. Stachelschnecken. Eine kleine und eine große. Da kann man richtig sehen, wie die sich in ihrem hier Haus verschanzt hat, die Kleine.
Und wenn man bei der Großen in den Eingang reinschaut, dann sieht man auch schon, was diese Tiere so besonders macht.
Sie produzieren nämlich den Rohstoff für einen der seltensten und mit Sicherheit den teuersten Farbstoff auf der Welt. Der Populär-Name dieser Tiere lautet übrigens „Herkules-Keule“.
Herkules oder griechisch Herakles, der berühmte Sohn des Gottes Zeus, soll den Überlieferungen zufolge einst einer Nymphe namens Tyros nachgestellt haben.
Als sein Hund in eine Meeresschnecke beißt und sich seine Lefzen in einem spektakulären Rot-Blau verfärben,
erklärt die Nymphe, Herakles erst dann wieder zu empfangen, wenn er ihr ein Kleid in dieser Farbe verschafft.
Sogleich geht der Halbgott auf Schneckenfang, sammelt ihr Sekret und macht es der Nymphe zum Geschenk.
So wurde Herakles der Sage nach zum Erfinder der Purpur-Färberei.
Wer in der realen Welt dafür verantwortlich war, ist noch nicht ganz klar.
Denn auch die Phönizier, die im heutigen Libanon und in Israel beheimatet waren, handelten schon früh mit dem begehrten Stoff.
Ob nun die Phönizier oder die Minoer die Rezeptur zum Färben entdeckt haben, das ist strittig.
Aber ganz sicher ist, dass auf Chrysi da drüben und auf Kreta da, schon 1.600 Jahre vor Christi Geburt dieser ganz seltene Farbstoff produziert worden ist.
Hier, ich hab ein Stück Stoff dabei, das hier, ein Stück Stoff, das mit echtem Purpur gefärbt worden ist.
Ok. Heute würde man jetzt einfach sagen: Ja, lila. Aber nein. Das hier ist echte Purpur-Farbe.
Und in der Antike war wirklich jede und jeder, die so etwas gesehen haben, sofort schwer beeindruckt. Ist aber auch hübsch. Finde ich.
Im römischen Reich wurde der ungewöhnliche Farbton, der je nach Färbung zwischen hellrosa und dunkellila changiert, zum Status-Symbol der Eliten.
So schmückten Senatoren als Zeichen ihrer Bedeutung ihre sonst weiße Toga mit einem Streifen in der kostbaren Farbe.
Mehr Purpur gab‘s nur für den Kaiser. Wer es unter Nero wagte, „seine“ Farbe zu tragen, wurde schwer bestraft.
Selbst heute ist Purpur noch das Markenzeichen von gekrönten Häuptern.
Und auch in der Hierarchie der Kirche rangieren seine Träger weit oben.
Alle wollten Purpur. Weil diese Farbe so unglaublich schön ist. Aber eben auch sehr knapp.
Deshalb war es schon was ganz besonders, sie zu haben. Die Herstellung war eben so unglaublich aufwändig.
Ich habe ein Gramm dabei. Echtes Purpur. Für so viel – oder besser gesagt – so wenig, brauchte man schätzungsweise 10.000 Schnecken.
Unglaublich, oder? Für das Einfärben einer einzigen römischen Toga benötigte man angeblich eine Viertel Million Schnecken.
Und dieser unglaubliche Aufwand hat das Zeug natürlich auch extrem teuer gemacht.
Das führte dazu, dass sich nur die wirklich Superreichen in der Antike Purpurklamotten leisten konnten. Schnecken machen Kleider machen Leute.
Und da sich mit der Farbe viel Geld machen ließ, verbreitete sich das Geheimnis ihrer Herstellung in der Antike von Osten ausgehend über den gesamten Mittelmeerraum.
Wer heute echten Purpur sucht, der wird im Allgäu fündig. In Aichstätten hat sich ein Familienbetrieb auf die Herstellung von historischen Farbpigmenten spezialisiert.
In der Mühle wird gerade das Mineral Azurit zu feinem Pulver zermahlen. Schon die Ägypter nutzten es vor rund 4.500 Jahren als Augenschminke oder für ihre Wandmalereien.
Die Firma stellt hier rund 250 verschiedene Farb-Pigmente her, darunter auch aus Schmucksteinen wie Malachit oder Lapislazuli.
Zur Kundschaft gehören Museen wie der Louvre in Paris oder das Museum of Modern Art in New York. Der Vatikan bestellt hier ebenso wie der Buckingham-Palace.
Auch echtes Purpur ist im Sortiment. Das Gramm kostet rund 2.500 Euro - das Kilo entsprechend zweieinhalb Millionen.
Damit ist Purpur etwa 50-mal wertvoller als Gold - und der teuerste natürliche Farbstoff der Welt.
Echtes Purpur wird heute nur noch sehr selten eingesetzt. Hauptsächlich nutzen es die Restauratoren, um historische Stoffe originalgetreu mit Purpur zu färben.
Moderne Künstler setzen das hauptsächlich wegen der Materialität ein, denen ist der Ursprung des Purpurs sehr wichtig, es ist einfach was Besonderes.
Der Rohstoff für die kostbare Farbe ist ein helles Sekret aus einer Drüse in der Mantelhöhle der Schnecke.
Diese Flüssigkeit sondern die Mollusken bei der Beute-Jagd ab aber auch bei Bedrohung.
So können die Schnecken durch eine gezielte Reizung gemolken werden.
Kommt das Schnecken-Sekret mit Sauerstoff in Berührung, oxidiert der Schleim und färbst sich purpur.
Die Ausbeute pro Schnecke ist allerdings extrem gering und die Farbstoffgewinnung damit auch noch lange nicht beendet.
Was folgt, ist jetzt ein sehr aufwändiger Prozess.
Das Purpur-Gemenge wird mit Salz und Wasser mehrmals gewaschen, zwischengetrocknet,
wieder gewaschen, so, bis die ganzen organischen Bestandteile weg sind, rausgewaschen sind und der Farbstoff übrigbleibt.
In der Antike wurde das Schnecken-Schleim-Gemisch mindestens 10 Tage lang erhitzt und der Stoff schließlich in der konzentrierten Brühe gekocht.
Eine duftintensive Prozedur, die vielleicht dafür sorgte, dass Purpur-Färbereien häufig auf kleinen Inseln lagen.
Die Begeisterung für die kostbare Farbe blieb Jahrhunderte bestehen und brachte, wie so oft, wenn es ums Geld geht, schon früh Betrüger auf den Plan.
Die wissenschaftliche Untersuchung alter Stoffe hat ergeben, dass schon damals einige der vermeintlich edlen Gewänder nicht mit Purpur, sondern mit Pflanzensaft gefärbt waren.
Schöne Farben waren jahrhundertelang nur den Reichen und Mächtigen vorbehalten.
Der größte Teil der Menschheit musste sich für sehr lange Zeit in graubraun durch die Geschichte langweilen.
Das änderte sich dann erst im 19. Jahrhundert mit der Erfindung der synthetischen Farben. Seither darf jede und jeder alles tragen. Die Welt ist bunt!